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processes of contrition and repentance . It thus serves to der Unterscheidung und der Einsicht (Intuition). Sowohl
stabilise the self-experience of the believer and therefo- Gedanken als auch Emotionen sollen auf diese Weise ge-
re enables service for the community. What we see with prüft und unterschieden werden im Blick auf ihre Her-
Gregory the Great already corresponds in general to a kunft und Nützlichkeit für den Gottessucher.
formal, moralised understanding of conscience. The ag- WährendindiesersehrfrühenPhasederEntwicklungdes
reement between behaviour and pre-determined norms Mönchtums noch die Verantwortlichkeit des Individu-
of scripture and tradition is the aim of the function of ums im Vordergrund steht, wird im Verlauf der späteren
conscience or of its effect in assessing behaviour. Entstehung der Orden die Regel (observantia regularis)
zum Fixpunkt der Gewissensobservanz. Damit bindet
sich die durch das Gewissen repräsentierte Steuerung des
personalen Willens zunehmend an die verschriftlichte
Ordnung der Gemeinschaft bzw. an die Repräsentanten
derselben, die Ordensleiter. Der Gehorsam gegenüber
den Oberen tritt so ins Zentrum der Gewissenstätigkeit
des frühen mittelalterlichen Mönchtums. Diese Entwick-
lung, welche vorab die Westkirche betrifft, markiert für
diese das vorläufige Ende eines Prozesses der Betonung
von personaler Selbstwahrnehmung und -läuterung im
Geschehen der Verwirklichung eines gottähnlichen Le-
bens. Gregor der Grosse streicht noch einmal die Rolle
des Gewissens im Läuterungsprozess des Individuums
heraus, indemer diesemgemeinsam mitder Vernunftdie
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zentrale Rolle beim Reue- und Bussgeschehen zuweist .
Damit dient sie der Stabilisierung des Selbsterlebens bei
den Glaubenden und ermöglicht so den Dienst für die
Gemeinschaft. Was wir bei Gregor dem Grossen sehen,
entspricht bereits weitgehend einem formalen morali-
sierten Gewissensbegriff. Die Übereinstimmung des Ver-
Roland Mahler, Dr., Theo- Roland Mahler, Dr., Theo- haltens mit den vorgegeben Normen der Schrift und der
logist, Psychologist MSc, loge, Psychologe MSc, Tradition ist das Ziel der Gewissensfunktion bzw. ihrer
Psychotherapist SPV, Di- Psychotherapeut SPV, das Handeln bewertenden Wirkung.
rector of Institute of Chris- Direktor des Instituts für In der mittelalterlichen Mystik ist es Meister Eckhardt,
tian Psychology, Psycho- Christliche Psychologie, der den Begriff des Gewissens, die „Synteresis“, aufgreift
therapy and Education, Psychotherapie und Päda- und in einer für das Selbst bedeutsamen Weise zur Spra-
Switzerland www.icptp.ch. gogik, Schweiz www.icptp. che bringt. Die Gewissensfunktion ist als der Seelen-
He is the author of „Gewis- ch. Er ist Autor von „Ge- grund, der Funke die entscheidende innere Wirklichkeit,
sen und Gewissensbildung wissen und Gewissensbil- die Totalität der Seele, in der sich die mystische Offenba-
in der Psychotherapie“ dung in der Psychothera- rung, die intuitive Schau des Göttlichen (als die Einheit
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(Conscience and Forming pie“ 2009. Von 1986 -1998 von Erkennen und Sein) vollzieht . Diese im Gewis-
of Conscience in Psycho- leitete er das therapeuti- sen als Seelenfunke und Seelengrund greifbare Qualität
therapy) 2009. From 1986 sche Zentrum Best Hope. menschlicher Gottebenbildlichkeit steht im Denken und
-1998 he directed the the- icptp@bluewin.ch Lehren Eckhardts in Spannung zur offiziellen Doktrin
rapeutic center Best Hope. vom Gehorsam des Individuums gegenüber der Kirche.
icptp@bluewin.ch Die subjektive Erfahrung Gottes, die Schau des Nichts,
d.h. die unaussprechliche Gegenwart des Göttlichen, ist
dogmatisch nicht kontrollierbar. Damit entzieht sich das
In medieval mysticism, it is Meister Eckhardt who takes Wesentliche des menschlichen Glaubens und Handelns
up the term of the conscience, the “synteresis”, and deve- der Kontrolle durch die institutionalisierte Wahrheit.
lops language giving it a significance for the self. The con- Was immer als für das Verhalten letztgültig und massge-
science function is like the ground of the soul, the spark bend war und ist, es bedeutet die Freiheit des Individu-
of the decisive inner reality, the totality of the soul, in ums für die Wirklichkeit des in ihm selbst begegnenden
which the mystical revelation, the intuitive contemplati- Wahrhaftigen und Einzigartigen. In dieser radikalen Ob-
on of the divine (as the union of knowledge and being) is jektivierung der Subjektivität im Zeichen des Glaubens
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accomplished . Thisquality ofbeing inthe imageof God, besteht das, was sich als die Verantwortlichkeit der Per-
tangible in the conscience seen as spark of the soul and son bezeichnen lässt.
11 Cf. Gregory the Great, Moralia XXVII, cap.25 but also id., 11 Vgl. Gregor der Grosse, Moralia XXVII cap.25 aber auch
Homiliae in Evangelia I.I, hom. 10. ders., Homiliae in Evangelia I.I, hom. 10.
12 See also A.Lasson, Meister Eckhardt der Mystiker, 1868. Cf. 12 Dazu A.Lasson, Meister Eckhardt der Mystiker, 1868. Vgl.
Meister Eckhardt, Quaestiones Parisienses, Quaestio 1: Ist in Meister Eckhardt, Quaestiones Parisienses, Quaestio 1: Ist in
Gott Sein und Erkennen identisch? Gott Sein und Erkennen identisch?
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