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Ein Gedicht zu “Scham”







                                               loser winner doppelsieger

                                           ich weiß noch     ich weiß noch
                                 als mich mu�er schlug.      als viele jahre später jemand plötzlich
                              mit ihren kleinen händen.      „ja gerne.“ sagte, als ich ihn bat,
                       aus scham, aus wut, hilflosigkeit.    mir etwas abzunehmen,
                                   vor aller leute augen.    wozu ich zu feige war.
                         jeder schlag und schrei von ihr     und wirklich gerne meinte,
                                  ein ja und nein zu mir.    mir zuliebe, ohne grund für mich schien.
                                       um meinem hals,       in seiner s�mme, seinen gesten, seinem blick,
                                ein großes fragezeichen.     brot und wein begann mit mir zu teilen.


                                           ich weiß noch     ich weiß noch
                               wie sie mich schuppsten,      als ich aus gewohnheit
                                      drohten, höhnten,      nach der faust aufs auge suchte
                    bis die erste träne sprachlos flehte.    und sie nicht mehr fand.
                           eine fliege, die zu nahe kam,     vor angst erstarrte.
                            für die buben, ein jahr älter.   im stummen ohnmachtsschrei nach oben
                      als sie mich wieder fliegen ließen,    ein rückenwind mich stupste,
                    lernte ich im zäune-heckenscha�en        die hand wort für wort zum öffnen brachte.
                 meine drückeberger-überlebenskunst.         gewaltlosigkeitenschub.

                                           ich weiß noch     ich weiß noch,
                                         als ich als junge   wie es mir immer leichter fiel,
              beim suchenspielen mit nachbarskindern         schwarz-weiß-gedanken zu zerreißen.
                        in die verstecke meiner freunde      feindbilderprojek�le,
                            ein, zwei steinchen schmiss.     die die angst des anderen verbargen,
                   dann immer mehr, größere, spitzere.       mich nicht mehr täuschen konnten,
                mit immer mehr an unbekanntem zorn.          ich es wagte, die andere backe
                         weil ich mir selbst nicht traute,   nicht zu verstecken.
             auch ihnen nicht, dass sie für mich waren.      der erste schri� zum wir zur neuen waffe wurde.

                                           ich weiß noch     ich weiß noch
              als ich, ein junger mann, betrog im leben.     als ich appe�t bekam
                              halbwahrheitenlebenss�l.       auf doppelsiegergnade,
                im erstaunten aufschrei meiner gegner        zwei sieger, ich und du, mein feind.
                                          log und siegte,    ohne du kein ich.
                                        den slogan übte,     wenn aus dem vergessen s�eg,
                                              wie du mir,    woher wir kommen,
                                               so ich dir.   wohin wir gehen,
                                      scheinheiligenzier.    wer wir in jesus christus sind.

                                                             Werner May (Deutschland)









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