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References                                        sellschaft – wie das Digitale unsere Wirklichkeit
             Kraus, Wolfgang (2000): Das erzählte Selbst: die narrative   auflöst“.
             Konstruktion von Identität in der                 Computerwissenschaftler verstehen unter Gra-
             Spätmoderne.  Herbolzheim:  Centaurus-Verl.-Ges.Wup-
             pertal/Zurich 1994                                nularität  die  Feinauflösung  von  Daten.  Digi-
             Krewanis Wolfgang N. (1983): Endlichkeit und Verant-  tale  Daten  erlauben  eine  Datenmenge  über
             wortung. In: Levinas 1983                         jeden  einzelnen  von  uns  zusammenzustellen,
             Kucklick, Christoph (2016): Die Granulare Gesellschaft.   über lange Zeiträume hinweg, wie es bisher nie
             Ullstein:  Berlin  Levinas;  Emmanuel  (1983,  1998):  Die   möglich war. Wir brauchen uns nicht mehr an
             Spur des Anderen, Alber Karl : Freiburg/Munich    Momentaufnahmen  -  verglichen  mit  Durch-
             Levinas,  Emmanuel  (1989):  Humanismus  des  anderen
             Menschen. Meiner: Hamburg                         schnittswerten  -  zu  orientieren  oder  unserem
             Lewis, M. (1995): Scham. Annäherung an ein Tabu. Kn-  Gedächtnis  zu  vertrauen,  das  uns  bestimmte
             aur: Munich 1995                                  Geschichten über uns liefert. Feinauflösungen
             May, Werner (2001): Kindern dialogisch Grenzen setzen,   aller bisherigen Identitätskonzepte!
             Kitzingen: IGNIS-Edition                          Die Datenmenge über uns selbst wird auch die
             Resch, Franz (1996): Entwicklungspsychopathologie des   Vorstellung  von  Einheit  zerstören,  denn  wir
             Kindes- und Jugendalters, Beltz:
             Weinheim                                          merken, wie viele unterschiedliche Verhaltens-
             Seiß, Rudolf (1985): Identität und Beziehung, Neuhau-  weisen, Kompetenzen oder Gefühlsreaktionen
             sen-Stuttgart: Hänssler.                          wir  (aber  auch  andere)  über  einen  selbst  im
             Schneider-Harpprecht  Christoph  (1989):  Trost  in  der   Laufe der Jahre – und das täglich digital „no-
             Seelsorge. Kohlhammer: Stuttgart                  tiert“ – zusammenschauen können und dass es
             Schweer,  Martin  (1997):  Interpersonales  Vertrauen.   uns nicht mehr gelingt, das alles zu einem ein-
             Westdeutscherverlag: Opladen
             Seiß,  Rudolf:  Identität  und  Beziehung  (Stuttgart-Neu-  heitlichen Bild zusammenzusetzen.
             hausen, 1985)                                     Wenn  ich  an  meine  Kindheit  der  Fünfziger-
             Spangler, Gottfried, Zimmermann, Peter (Hrsg) (1997):   jahre zurückdenke, existieren davon nur noch
             Die Bindungstheorie: Grundlagen,                  wenige Schwarz-Weiß-Fotos und keinerlei Vi-
             Forschung  und  Anwendung.  Klett-Cotta:  Stuttgart   deoaufzeichnungen  oder  Tonaufnahmen.  Be-
             Splett Jörg (1990): Leben als Mit-Sein. Vom trinitarisch   trachte  ich  dagegen  meine  Enkelkinder,  dann
             Menschlichen. Knecht: Frankfurt a. M
             Kalevi  Tamminen  (1993):  Religiöse  Entwicklung  in   werden  sie  einmal  auf  ein  komplettes  Video-
             Kindheit und Jugend (Forschungen zur              material über sich selbst zurückgreifen können,
             praktischen Theologie) Peter Lang: Berlin William Ury   von der Geburt an über alle Monate und Jahre
             (2007), The Power of a Positive No. How to say no and   hinweg. Was das wohl mit ihnen bewirkt?
             still get to yes. Bandham                         Eine gute Botschaft unserer digitalen Zukunft
             / in German: Nein sagen und trotzdem erfolgreich ver-  könnte sein, dass die Auflösung einer konstan-
             handeln (Campus Verlag:
             Frankfurt / New York 2009)                        ten Identität uns von Identitätshypothesen über
             Wenzler,  Ludwig  (1989)  Menschsein  vom  Andern  her.   uns selbst löst, den Weg frei macht, an dieser
             Einleitung. In: Levinas 1989                      Stelle  eine  tiefe  Herzenssehnsucht  –  die  auch
                                                               eine digitale Welt nicht zerstören kann –, eine
                                                               Herzenssehnsucht  zu  zeigen,  die  Sehnsucht
                                                               nach  wirklicher  Begegnung,  nach  Resonanz,
                                                               nach erfahrener Liebe.
                                                               Resonanz soll hier als die Erfahrung verstanden
                                                               werden, dass der andere sich wirklich für das
                                                               interessiert, was mich interessiert, und sich mit
                                                               mir auf einen gemeinsamen Weg begibt, indem
                                                               er sich einbringt – auch wenn es nur im Ge-
                                                               spräch ist.
                                                               Denn nicht mehr das Wissen über mich oder
                                                               den anderen kann mich steuern, sondern nur
                                                               noch die emphatische Begegnung, das Wagnis
                                                               des Du.




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